Ko-Produktion Kellertheater mit Nino Biccari und Tamara Labas

Nach dem Absturz

Einakter von Gaetano Biccari und Tamara Labas

Plakat

Ein Stück übers Weitermachen trotz schwerer Krisen und über das, was es eigentlich heißt zu "scheitern". Das Autorenpaar Biccari/Labas schickt Figuren auf die Bühne, die das Theater als Ort einer Totenbeschwörung bespielen. Ikarus, zwei weitere Held:innen des Fliegens und eine Tänzerin führen das Publikum durch einen inspirierend spannenden Theaterabend, der Fragen aufwirft.  

Jasmina Ruzic - Tänzerin

Ich spiele die Tänzerin, ein engelsgleiches Wesen, das die anderen drei Charaktere miteinander verbindet. Die Tänzerin bildet ein wichtiges Bindeglied aller Rollen, drückt Gefühle tänzerisch aus und stellt etwas dar, was im Tiefen der anderen Rollen und in ihr selbst verborgen ist. Zu Beginn ist die Tänzerin unbekümmert und leicht, allerdings geht sie im Laufe des Stückes an all den schweren Schicksalen der anderen Rollen zu Grunde. Diese färben auf sie ab und verschlingen sie.

Die Tänzerin selbst hat keine Stimme. Die einzige Art sich auszudrücken ist der Tanz und die Bewegungen des Körpers. Dies war zu Beginn eine Herausforderung für mich. Die Rolle brachte mich an meine Grenzen - nicht tänzerisch - vielmehr emotional.

Ich weiß nicht, was der Schlüsselmoment war, aber es machte „klick“. Ich spielte nicht mehr nur die Rolle der Tänzerin, ich wurde die Tänzerin. Sie ist ich und ich bin sie… Eins stand fest, es war mehr als nur eine Rolle eines Theaterstücks. Sie berührte mich und es bereitete mir Freude die Tänzerin zu sein. Unbekümmert, bekümmert, tragisch, traurig, zerbrochen, wie ein Glas, welches auf dem harten Boden zerschellt, dennoch wunderschön, leicht und engelsgleich.

Emily Elßner - Ikarus

Das Stück bot und bietet mir eine Auseinandersetzung und einen Zugang zu vielen Thematiken (z.B. Scheitern, Umgang mit elterlichen Erwartungshaltungen, patriarchale Strukturen), die für mich neue Perspektiven und Ideen ermöglichen.

Ikarus ist noch ein Kind, als sein Vater ihn mitnimmt auf eine waghalsige Flucht durch die Lüfte, weg von Kreta, wieder zurück nach Athen. Aber Ikarus ist auch eine antike Sagenfigur, uralter Stoff für Geschichten, Gedichte, Träume. Wie vereint man das unbedarfte Kindliche mit dem geheimnisvollen Sagenhaftem? Wie geht jemand, der fliegend starb? Wie spricht jemand, der vor langer, langer Zeit, vor Kreta im Meer ertrunken ist, von den Flügeln, die eigentlich Freiheit versprachen, hinabgezogen? Das sind noch immer die Fragen, mit denen ich mich am intensivsten auseinander setzen muss für meine Rollenfindung.

Meine erste Probe: Die Anspannung, aber auch die Vorfreude auf das Spiel – und dann die Erleichterung, dass da Leute sind, die gut finden, was ich mache. Und das ich gut finde, was die anderen machen. Ich fühle mich im Ensemble wertgeschätzt und unterstützt. Auf einer ehrlichen, konstruktiven Ebene, auf der man nicht in Watte gepackt wird und gerade deshalb sein volles Potential entfalten kann.

Meine Lieblingszeile aus dem Stück: „Ich, argloses Kind, kann fliegen! Leicht – und leichtsinnig.“

Simon Krasselt - H

Das gesamte Theaterstück ist für mich eine äußerst spannende Reise, die irgendwie parallel zu meinem sonstigen Leben stattfindet. Jede Probe holt mich vollkommen aus dem sonstigen Alltag heraus und bringt mich in eine andere Welt, die sich im Kellertheater entwickelt hat. Das Stück ist äußerst vielschichtig und behandelt einige schwierige Themen und Fragen, die dann auf der Bühne ihren Entfaltungsraum bekommen und uns immer wieder die Chance geben, etwas anderes zu erkennen und zu entdecken.

Hinsichtlich der Weltanschauung, Denkstrukturen und dem Wesen her, habe ich mit meiner Rolle kaum Überschneidungspunkte. Also musste ich auch raus aus meinem eigenen Weltbild und mich offen darauf einlassen. H wuchs als Kind millionenschwerer Unternehmer auf, hauptsächlich aufgezogen von seiner Mutter, die ihn sexuell missbrauchte. So ist ihr Tod für den Jungen im Grunde ein Befreiungsschlag, aber auch ein tiefes Problem, denn seine Mutter war auch seine Bezugsperson. Er strebt nun ungeheuer nach der Freiheit, im Geschäftlichen, im Fliegen, bei den Frauen, aber eben dieses Streben bringt ihn viel mehr in eine ewige Trotzhandlung gegen Alles. Das Paradigma „Höher, Schneller, Weiter“ findet in ihm eine Extreme und zerstört ihn mit der Zeit in allen Bereichen.

Die Rolle verlangt von mir schwere Empathie. Auf der Bühne muss mein eigenes Denken zu Seite geschoben werden, sodass Platz für H entsteht. Es ist dann wie ein kleines Rauscherlebnis, in dem ich meine eigentlichen Sinne verliere und erst im Nachgang verstehe, wie seltsam unangenehm und aufreibend das Ganze war.

Samar Angourani - A

Gefühlschaos. Mit diesem Wort verbinde ich das Theaterstück und das Ensemble.

Die Rollen enthalten eine Ballung an Emotionen, welche auf uns Darsteller:innen übertragen werden, ob wir das wollen oder nicht. Wir alle spüren die intensiven Gefühle unserer Charaktere und es kam mehr als einmal vor, dass wir uns nach einer Szene fassen und runterkommen mussten. Das Stück, die anderen Figuren und meine Rolle als A gewähren mir Eindrücke in die Psyche verletzter Menschen und es stellte sich als eine große Überwindung und Herausforderung dar, diese Empfindungen darzustellen und ihnen gerecht zu werden.

Um meine Authentizität nicht zu verlieren, half es mir sehr, meine eigenen Erfahrungen in meine Darstellung zu etablieren. Mittlerweile fühle ich eine sehr starke Verbundenheit zu der Figur A. Es fühlt sich an, als wäre sie ein Teil von mir. Wenn ich spiele, kann ich mich fallen lassen. A gibt mir die Chance, unterdrückte Gefühle rauszuschreien. Dabei spielen meine Kolleg:innen eine sehr wichtige Rolle. Aufgrund der verschiedenen Persönlichkeiten ergänzen wir uns als Gruppe unglaublich gut. Diese Harmonie und das damit entstandene Vertrauen untereinander stellen einen sicheren Ort für uns her, an dem wir unseren Gefühlen freien Lauf lassen können, ohne uns zu schämen.

es spielen:
Ikarus: Emily Elßner
A: Samar Angourani
H: Simon Krasselt.
Tänzerin: Jasmina Ruzic

Licht-, Ton- und Filmtechnik: Mathias Hundt

Regie: Gaetano Biccari, Tamara Labas

Hinweis: Enthält Szenen, die sexualisierte Gewalt darstellen.
Einsatz von Stroboskoplicht. Gefahr für Menschen, die an Epilepsie erkrankt oder herzkrank sind.

Bühnenbild Ventilatoren – mit freundlicher Unterstützung von
ikarus Design Handel GmbH

Das Kellertheater wird unterstützt von der Stadt Frankfurt am Main (www.kultur-frankfurt.de)